Mythologie

Zunächst sollte der Begriff der ägyptischen Mythologie definiert werden. Man versteht unter diesem Begriff die Gesamte mystische Überlieferung der antiken Ägyptischen Kultur. Diese Überlieferungen, mit einem religiös-weltanschaulichem Gehalt, der antiken Ägypter bildete das Fundament ihrer Religion. Den Mittelpunkt des Glaubens bildete bei den alten Ägyptern, wie in fast allen Kulturen, die Genesis, mit der sie versuchten ihre Welt zu erklären. Kennzeichnend für das transzendentale System des antiken Ägyptens ist zudem die verhältnismäßig große Zahl an Göttern, sowie die zentrale Bedeutung des Totenkultes

Die Schaffung der Welt und die Götter der Ägyptischen Mythologie

An Hand der Kosmogonien anderer Völker kann man ersehen, dass für die Erklärung dieses Phänomens der Weltentstehung meist topografische und andere Gegebenheiten der besiedelten Region herangezogen wurden. Bei den alten Ägyptern war dies nicht anders. Durch die große Bedeutung des Nils, der regelmäßig über die Ufer tritt, und der unübersehbaren Sonne, die am Himmel ihre Bahn zieht, ist es nicht überraschend, dass die verwendeten Bilder und Symbole, der ägyptischen Entstehungslehre, um das Element des Wassers, der Sonne und der Erde angesiedelt, wurden. Überliefert und bekannt sind mehrere Versionen der Entstehungsgeschichte, in denen die ursprüngliche Erzählung zu vermuten ist, da die Erklärungen für die Entstehung der Welt zwar unterschiedlich sind, aber einige Bilder und Symbole in allen Erklärungen zu finden sind. Die unterschiedlichen Mythen um die Entstehung der Welt wurden wahrscheinlich durch die gerade vorherrschende Priesterschaft einer der drei Hauptkultstätten beeinflusst. Auch politische Beeinflussung kann vermutet werden, da die Bedeutung der stets wechselnden kultischen Zentren und ihrer mächtigen Priesterschaft auch dem Pharao bekannt gewesen ist. Ich möchte nun an dieser Stelle eine, die bekannteste, dieser Kosmogonien vorstellen

Kosmogonie von Heliopolis

In der Stadt Heliopolis entstand um ca. 3000 v. Chr. die am weitesten Verbreitete Schöpfungslehre, die nachfolgend beschrieben wirdZu Beginn gab es nur eine unendliche Wasserfläche, die als Nun bezeichnet wurde. Nachdem die Welt erschaffen war, existierte dieses Wasser jenseits des Universums weiter, um an dem Tag der Apokalypse die Welt wegzuspülen und neu entstehen zu lassen. Der Gott Atum, der die Ganzheit verkörperte, erschuf sich selbst, entstieg dem Urmeer Nun und schuf dann einen Hügel, auf dem er sich niederließ. Atum, der mit der Ganzheit alles in sich vereinte, konnte auch Götter erschaffen. Zu dieser Erschaffung der Götter gibt es zwei Erzählungen. Nach der ersten Theorie war es ihm möglich zwei Götter (Schu und Tefnet) mit Hilfe seiner Hand aus seinem Samen zu formen. Die Hand wird oft als das Weibliche in Atum interpretiert. Nach der anderen Erzählung wird der Luftgott Schu (ägyptisch: Luft, Leere) durch niesen und die Göttin Tefnet (ägyptisch: Feuchtigkeit) durch Ausspucken von Atum erschaffen. Diese beiden Gottheiten wurden von Nun aufgezogen und vom Auge des Atum bewacht. Dem Gott Atum war es nämlich möglich gewesen sein, sein Auge vom Körper zu trennen. Dieses Auge wurde als das sogenannte Udjat-Auge bezeichnet. Die Götter Schu und Tefnet zeugten die Göttin des Himmels Nut und den Erdgott Geb. Diese beiden Götter wiederum haben nach den alten Erzählungen die Götter und Brüder Osiris und Seth, sowie die Schwestern Isis und Nephtys gezeugt. Der Gott Osiris und seine Schwester Isis sowie Seth und Nephtys bildeten wiederum Paare. Die neun, aus dem Urwesen Nun hervorgegangenen, Götter Atum, Schu, Tefnet, Nut und Geb, Osiris, Isis, Seth und Nephtys wurden von den Ägyptern als Enneade oder Neunheit bezeichnet. Nachdem die neun Götter gezeugt waren wurden der Gott Geb (Erde) und seine Gemahlin Nut (Himmel) von Schu (Luft) auseinandergedrückt, um zwischen Himmel und Erde Platz für die Luft zuschaffen. Nut drückte wiederum die Erde mit beiden Händen und Füßen, die zugleich die vier Himmelsrichtungen symbolisieren, nach unten, sodass die Erde von dem Urmeer Nun getrennt wurde. Der Sonnengott Re wurde nach dem Glauben der alten Ägypter jeden Abend von der Himmelsgöttin Nut verschlungen. Während der so entstandenen Nachtzeit durchlief er ihren Körper, um am nächsten Morgen wiedergeboren zu werden. Der am Morgen rotverfärbte Himmel stellte das, während der Geburt, verlorene Blut der Göttin dar. Nach einer anderen Erzählung fuhr Re während seiner täglichen Wanderung mit seiner Sonnenbarke am Körper der Nut vorbei und Nacht durch die Unterwelt. Schon ganz zu Beginn der Ägyptischen Kultur hatte eine Verschmelzung des Sonnengottes Re mit den verschiedenen Aspekten der Totalität des Atum stattgefunden. Die Verschmelzung führte daher auch zu einer Vielzahl von Erscheinungs- und Darstellungsformen. Zum Beispiel wurde die aufgehende Sonne von einem Chepri genannten Skarabäuskäfer, der die Sonnenscheibe vor sich herschob (Skarabäen machen dies mit Dunghaufen), dargestellt. Die hell strahlende Sonne war, wie schon gesagt, das Symbol für den Gott Re, während die hoch am Himmel stehende, und daher kleiner wirkende Sonne, mit dem Falken verbunden wurde. Der Falke wurde im antiken Ägypten als Harachte. Daher konnten diese verschiedenen Bezeichnungen mit den Namen Atum und Re verbunden werden (z. B. Atum-Chepri, Re-Harachte). In dem Schöpfungsmythos von Heliopolis wurde die Entstehung des Gottes Atum mit dem Bildnis einer Lotusblüte dargestellt, aus der er nach der Überlieferung seiner selbst entstiegen sei in der Form eines Kindes. Er wurde ebenfalls als ein Benu-Vogel dargestellt, der vom griechischem Historiker Herodot als Phönix gedeutet wurde

Neben dieser Kosmogonie, welche die wohl bekannteste ist, gibt es noch zwei andere Kosmogonien, die jedoch nur geringe Abweichungen aufzeigen. Dies ist zum einen die Kosmogonie von Hermopolis und zum anderen die von Memphis. Diesen drei Kosmogonien ist gemeinsam, dass sie alle von der Schöpfung des Kosmos und der Götter berichten, auf die Entstehung des Menschen aber nicht eingehen. Die Erschaffung des Menschen ist der Mittelpunkt in dem Schöpfungsmythos des Gottes Chnum, der im folgenden kurz erläutert wird

Chnum der Schöpfer der Menschen

Dieser Schöpfergott, auch verehrt als Töpfer und Handwerker, wurde meist als Widderköpfige Figur dargestellt. Er vereinte die animalischen Kräfte sowie die Kreativität und die Fruchtbarkeit in sich, die von den Ägyptern als Ursprung des Lebens angesehen wurden. Die Kultstätte des Chnum befand sich im Kataraktgebiet des Nils nahe Assuan auf der Insel Elephantine. Dort war übrigens der Kultort des Überschwemmungsgottes Hapi. Wie die Menschen von Chnum geschaffen wurden, hängt wieder mit den topografischen Gegebenheiten Ägyptens zusammen. Durch die alljährlichen Überschwemmungen des Nils, Garant für den Wohlstand des ägyptischen Volkes, wurde Schlamm in rauen Mengen angespült, der dem Schöpfergott als Baumaterial für die Menschheit diente. In einigen Reliefdarstellungen über diesen Schöpfungsakt wurde dieser bis in das kleinste Detail dargestellt. Diese Darstellungen zeigen die Beschaffenheit des menschlichen Skeletts genauso wie die der Haut und der inneren Organe.

Die Sonnenanbetung

Als einziger wichtiger Gott, der durch die gesamte ägyptische Geschichte hinweg durchgehend verehrt wurde war der Sonnengott Re, Herrscher der kosmischen Gottheiten, von dem die frühen Pharaonen ihre Herkunft abgeleitet hatten. Zu Beginn des mittleren Reiches (um 2134 v. Chr.) wurde die Verehrung des Re zu einer Art Staatsreligion erhoben. Währen der thebanischen Dynastien (vgl.: Triade von Theben) wurde Re zunehmend mit dem Gott Amun gleichgesetzt. Dies führte dazu, dass diese beiden Götter zu dem obersten Gott Amun-Re verschmolzen. Der Pharao Amenophis III. (1402 – 1364 v. Chr.), der während der 18. Dynastie herrschte nannte Amun-Re in Aton um. Aton war im damaligen Ägypten ein Wort, das die physische Kraft der Sonne bezeichnete. Sein Sohn und Nachfolger Amenophis IV. (1364 – 1347 v. Chr.), besser bekannt als Echnaton, ging soweit, die alleinige Verehrung Atons durchzusetzen und alle Spuren anderen Götter zu beseitigen. Er ließ zudem den Gott Aton nicht mehr durch Menschen- oder Tiergestalt darstellen, sondern durch das abstrakte Bild einer Sonnenscheibe mit Armen. Die Amunpriester waren unter seiner Herrschaft Verfolgung und Tod ausgesetzt. Sein Versuch, den Monotheismus einzuführen, prägte zwar die Kultur seiner Zeit, war aber nicht von Dauer. Nach seinem Tod kehrte man in Ägypten zum alten Polytheismus zurück und bezeichnete Echnaton als den Ketzerkönig.